Back to Recordings Reviews Hinter Stacheldraht Frank Sieben Die Kunst der Klaviertranskription, wie sie im 19. Jahrhundert durch Franz Liszt zur Blüte gelangte und von Ferruccio Busoni, Leopold Godowsky und anderen weiterentwickelt wurde, ist in den Bearbeitungen von Kaikhosru Sorabji (1892-1982) nur noch als ferne ästhetische Ausgangsposition wahrnehmbar. Die musikalischen Vorlagen transformiert Sorabji nie in brillante pianistische Kunststücke, deren Fingerartistik ein Publikum in staunendes Entzücken versetzt. Eher das Gegenteil ist der Fall: Der anglo-parsische Komponist misstraut zutiefst dem virtuosen Zauber wie einem unvermittelten ,,romantischen Gefühl". Seine ,,Passegiata Veneziana" etwa, ein mehrteiliges zwanzigminütiges Werk von 1956, das auf Offenbachs Barkarole aus ,,Hoffmanns Erzählungen" basiert, verwandelt die liebliche Idylle in einen von emotionalen Abgründen durchzogenen imaginären Horrortrip durch die Lagunenstadt. Grandios, wie er Bachs ,,Chromatische Fantasie" and die d-Moll-Fuge BWV 948 harmonisch weiterdenkt and gleichsam vervollständigt oder Chopins Minutenwalzer in eine Klang-wuchernde Monstrosität verwandelt. Sich nie dem Geschmack der Zuhörer anbiedernd, erscheinen seine Bearbeitungen wie hinter einem dicken Stacheldraht. der die Musik vor leichtfertigem Konsumgenuss schützt. Michael Habermann, ein exzellenter Kenner von Sorabjis Werk, spielt diese aberwitzig komplizierten Bearbeitungen nicht nur technisch souverän, sondern stellt sich auch dem oft beunruhigenden geistigen Gehalt, der bis in die Regionen musikalisch-pathologischer Verstörung führen kann. Eine wichtige Veröffentlichung, die dem sperrigen Aubenseiter Sorabji die verdiente Aufmerksamkeit widmet. Interpretation *****
Sorabji, Transkriptionen von Werken Bachs, Chopins, Offenbachs and Ravels;
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